Der EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hat Pläne vorgelegt, die eine Stärkung der Landwirte innerhalb der Wertschöpfungskette zum Ziel haben. Die Initiative umfasst nicht nur Milchproduzenten, sondern auch Akteure im Ackerbau sowie im Gemüse– und Obstbau. Kern des Vorschlags ist die Einführung einer Verpflichtung zum Abschluss schriftlicher Lieferverträge für alle Landwirte mit Ausnahme der Rübenbauern, was eine Änderung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) nach sich ziehen würde.
Des Weiteren ist geplant, Artikel 168 der GMO zu modifizieren, um Getreide-, Gemüse-, Obst- und Hopfenproduzenten miteinzubeziehen. Die EU-Kommission beabsichtigt außerdem, die Anerkennung von Erzeugergemeinschaften zu erleichtern und die Regelungen gegen unfaire Handelspraktiken zu verschärfen, um diese EU-weit durchsetzen zu können.
Laut den neuen Regelungen müssen Molkereien, Getreidehändler und Gemüsevermarkter ihren Lieferanten schriftliche Verträge anbieten, die Details wie Liefermenge, Preisgestaltung, Zeitpunkte der Lieferung und preisbezogene Klauseln beinhalten. Sollten die vereinbarten Preise die Produktionskosten nicht decken, haben die Landwirte das Recht, Verträge mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten zu kündigen, sofern sie ihre Kosten belegen können.
Allerdings herrscht Unsicherheit darüber, wie genau die Kosten nachgewiesen werden müssen und welche Einblicke dadurch in die Betriebsinterna der Landwirte notwendig werden. Diese neuen Anforderungen könnten umfassende Dokumentationen erfordern, was wiederum ungewohnt für die Abnehmer sein könnte.
Die Reaktionen auf diese EU-Pläne sind geteilt. Während einige Agrarverbände, darunter der Bauernverband, der Raiffeisenverband und der Milchindustrieverband, den Vorschlag als Eingriff in das Zivilrecht und eine Gefahr für die Vertragsfreiheit kritisieren und vor erhöhtem bürokratischem Aufwand warnen, sehen andere in den Plänen eine Chance, die Verhandlungsposition der Landwirte zu verbessern.
Dr. Christian Weseloh von der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse e.V. äußerte Bedenken, dass besonders Erzeugergemeinschaften durch die Vertragspflicht belastet werden könnten, und sieht darin eher eine Zunahme bürokratischer Hürden als eine tatsächliche Stärkung der Landwirte. Der Bundesrat hat bereits eine Entschließung verabschiedet, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die EU-Pläne abzulehnen, insbesondere wegen der Befürchtungen bezüglich einer Zunahme von Bürokratie und Einschränkungen der Vertragsfreiheit.
Es bleibt abzuwarten, wie die EU die Vorschläge von Agrarkommissar Hansen umsetzen wird und welche Auswirkungen dies letztendlich auf die Landwirtschaft in Europa haben wird. Die Meinungen im EU-Agrarausschuss und im EU-Agrarrat sind bislang noch nicht einheitlich.