In Italiens Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft mischen organisierte kriminelle Strukturen weiterhin mit. Dies geht aus dem aktuellen Bericht zur Agrarmafia hervor, der vom Bauernverband Coldiretti gemeinsam mit der Beobachtungsstelle für Kriminalität im Agrar- und Ernährungsbereich und dem Institut Eurispes veröffentlicht wurde.
In den vergangenen zehn Jahren konnten mafiöse Gruppierungen ihren Einfluss in diesem Wirtschaftszweig erheblich ausbauen. Das geschätzte Gesamtvolumen ihrer illegalen Aktivitäten wird nun auf über 25 Milliarden Euro beziffert. Dabei haben sich neben bekannten Praktiken neue Betätigungsfelder eröffnet, insbesondere das Geschäft mit Krediten sowie Geldwäsche.
Ein Schwerpunkt liegt nach wie vor in der Ausnutzung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte. Die sogenannte Caporalato-Struktur steht dabei für ein System, in dem Arbeitsvermittler ausbeuterische Bedingungen schaffen. Diese reichen von unzureichender Bezahlung bis hin zu fehlenden Sozialstandards. Zunehmend treten aber auch Finanzgeschäfte in den Vordergrund, etwa durch die Vergabe intransparenter Darlehen an Betriebe oder durch das Einschleusen illegaler Geldmittel in den regulären Wirtschaftskreislauf.
Nach Angaben von Coldiretti greift das organisierte Verbrechen mittlerweile in die gesamte Lebensmittelkette ein. Das beginnt bei der landwirtschaftlichen Urproduktion, reicht über Verarbeitungs- und Handelsstufen bis hin zur Gastronomie. Auch der gezielte Betrug mit Lebensmitteln zählt zu den Methoden. Besonders häufig betroffen sind Erzeugnisse wie Wein, Olivenöl, Reis und Tierfutter.
Im Anbau wird mit nicht genehmigten Betriebsmitteln gearbeitet, im Vertrieb tauchen Produkte mit gefälschten Bio-Zertifikaten auf. Häufig handelt es sich dabei um Importware, vor allem aus osteuropäischen Ländern, die als hochwertigere italienische Erzeugnisse deklariert werden.
Zunehmend bedenklich sind laut Coldiretti die Entwicklungen im Bereich der Arbeitsvermittlung. Dabei bedienen sich die kriminellen Akteure internationaler Netzwerke. Arbeitskräfte aus Drittstaaten wie Bangladesch oder Indien gelangen über solche Strukturen nach Italien, wo sie in der Landwirtschaft eingesetzt werden.
Diese Beschäftigten erscheinen zwar formal als Mitglieder von landwirtschaftlichen Genossenschaften, erhalten aber deutlich weniger Lohn als gesetzlich vorgesehen – bis zu 40 Prozent unter dem regulären Niveau. Die Entlohnung erfolgt nicht direkt über den Betrieb, sondern über die Genossenschaften, was eine Kontrolle der tatsächlichen Arbeitsbedingungen durch die Betriebe selbst nahezu unmöglich macht.
Der Bericht weist zudem darauf hin, dass ähnliche Strukturen auch in weiteren europäischen Ländern existieren. In Mitgliedstaaten wie Deutschland, Österreich, Belgien, der Slowakei, Spanien und den Niederlanden sei das Vorgehen der organisierten Kriminalität zwar bekannt, werde jedoch bislang nicht systematisch erfasst oder kontrolliert.