Anzeige
 

Dachau und die Verflechtung des Ökolandbaus mit dem NS-Regime

Während der Zeit des Nationalsozialismus spielte Dachau eine zentrale Rolle in der Geschichte des ökologischen Landbaus in Deutschland. Besonders die Lehren Rudolf Steiners zum biodynamischen Anbau fanden hier Eingang in die landwirtschaftlichen Experimente, die unter der Kontrolle der SS durchgeführt wurden.

Auf einem Gelände hinter Stacheldraht mussten Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau ab Ende der 1930er Jahre Zwangsarbeit leisten. Ab 1939 übernahm die Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung (DVA), eine Einrichtung der SS, die Bewirtschaftung der Flächen. Untersucht wurde unter anderem, ob Bioweizen gesundheitliche Vorteile habe oder wie exotische Gewürze wie Pfeffer durch heimische Pflanzen ersetzt werden könnten.

Neuere Forschungen zeigen, dass Anthroposophen in diesem Umfeld eine bedeutende Rolle spielten. Lange hatten sie sich selbst als Opfer des NS-Regimes dargestellt, doch Dokumente belegen ihre enge Mitarbeit in Dachau und ihre Verbindungen zu den Strukturen der SS. Auch der Anbauverband Demeter und das Unternehmen Weleda tauchen in diesem Zusammenhang auf. Bei Demeter wurde das Führerprinzip eingeführt, während Weleda, hervorgegangen aus dem Kreis um Steiner, Heilmittel und Naturkosmetik produzierte und als Abnehmer von Saatgut aus Dachau in Erscheinung trat.

Der Landwirt Erhard Bartsch, ein Schüler Steiners, führte den Reichsverband für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise und pflegte Kontakte zu führenden Nationalsozialisten. Das anthroposophische Leitbild eines „geschlossenen Betriebsorganismus“ ließ sich mit dem Ziel einer autarken deutschen Wirtschaft verknüpfen.

Für die Häftlinge waren die Bedingungen katastrophal. Zwölfstündige Arbeitstage ohne Maschinen führten bereits 1938 zu mehr als hundert Todesfällen. In den Jahren 1939 und 1940 starben weitere 322 Menschen. Ab 1940 setzte die DVA auf vollständig biodynamische Bewirtschaftung. Auf den Flächen sollten Heilpflanzen wie Baldrian oder Spitzwegerich sowie Gladiolen, Tees, Gewürze und Saatgut erzeugt werden – auch, um Gewinne für die SS zu erzielen.

Obwohl der Reichsverband 1941 verboten und Bartsch zeitweise inhaftiert wurde, lief die biodynamische Arbeit im KZ weiter. Unter Leitung von Franz Lippert kamen esoterische Methoden wie die „empfindliche Kristallisation“ zum Einsatz. Zudem berichten Historiker von Menschenversuchen im Auftrag der SS, die auch Weleda betrafen. Salben, die für die Wehrmacht bestimmt waren, sollen in Dachau getestet worden sein.

Das Unternehmen weist eine direkte Verstrickung in die damaligen Verbrechen zurück. Kritiker monieren jedoch, dass nicht alle Archivunterlagen zugänglich seien und die firmeneigene Darstellung der NS-Zeit Lücken aufweise.

Weitere Nachrichten

Bericht warnt vor illegalen Fleischeinfuhren nach Großbritannien

Ein neuer Parlamentsbericht zeigt erhebliche Defizite bei der Kontrolle von Tierprodukten an den britischen Grenzen auf. Zwischen Januar und April dieses Jahres...

Verkauf von Agrarflächen an ausländische Investoren sorgt für Diskussionen

Der Erwerb von rund 20.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche durch einen ausländischen Investor hat erneut Fragen zur Kontrolle des Bodenmarktes aufgeworfen. Unklar bleibt,...

Selbstversorgung in Gefahr: Deutschland droht zum Weizen-Importeur zu werden

Deutschlands Fähigkeit, die Bevölkerung aus eigener Landwirtschaft ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, steht zunehmend unter Druck. Selbst bei Weizen, der hierzulande auf...

Krieg in der Ukraine: Agrarsektor meldet Verluste von 74 Mrd. Euro

Der Krieg hat die Landwirtschaft in der Ukraine schwer getroffen. Nach offiziellen Angaben belaufen sich die Schäden und Verluste des Agrarsektors inzwischen...

Dachau und die Verflechtung des Ökolandbaus mit dem NS-Regime

Während der Zeit des Nationalsozialismus spielte Dachau eine zentrale Rolle in der Geschichte des ökologischen Landbaus in Deutschland. Besonders die Lehren Rudolf...