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Verwüstete Böden in der Ukraine: Die unsichtbare Last des Krieges

Ein Satellitenfoto des US-Unternehmens Maxar zeigt ein Ackerstück nahe Bachmut, das von Granateinschlägen regelrecht durchsiebt wurde. Diese Aufnahme verdeutlicht, wie dicht die Einschläge sind – man zählt auf einem Quadratkilometer schätzungsweise bis zu 3000 Krater.

Diese Einschläge stammen zumeist von 152-Millimeter-Splitter- und Sprenggranaten. Jede wiegt rund 40 Kilogramm, davon bestehen etwa sechs Kilogramm aus Sprengstoff, der Rest ist Stahl. Ein Teil dieser Masse verteilt sich in der Umgebung, der Großteil jedoch bleibt im Boden zurück.

Bei einer derart hohen Einschlagdichte kommt man auf bis zu 40 Tonnen metallischer Rückstände pro Quadratkilometer. Wird zusätzlich noch andere Munition wie Minen, Raketen oder Streubomben eingesetzt, steigt die Schadstofflast weiter.

Neben den Metallfragmenten verbleiben nach Explosionen auch chemische Substanzen im Erdreich. Darunter finden sich Reste von Hexogen, TNT und Oktogen, aber auch Stickstoffoxide und Schwermetalle wie Blei, Kupfer und Nickel. Diese Stoffe gelangen über das Wasser in Pflanzen oder bleiben im Boden und beeinflussen dort die chemische Zusammensetzung – zum Beispiel durch eine steigende Bodenversauerung.

Die direkte Folge ist ein gestörtes Wachstum der Pflanzen. Schwermetalle blockieren den Prozess der Photosynthese, wandern durch das Wasser in Nahrungsmittel und erhöhen das Risiko für Krebs- und Nervenerkrankungen bei Mensch und Tier. Auch das Bodenleben leidet, da Mikroorganismen durch diese Belastung absterben.

Zudem beeinträchtigt jede Explosion die Bodenstruktur erheblich. Der fruchtbare Oberboden – meist 30 bis 60 Zentimeter tief – wird durcheinandergewirbelt und mit nährstoffarmen Schichten vermengt. Der Unterboden verdichtet sich, Wasser kann schlechter versickern, die Kapillarwirkung bricht zusammen. Pflanzenwurzeln finden keinen Halt mehr. In den Kratern staut sich Regenwasser, was zu Überflutungen oder Bodenerosion führt. Der feinkrümelige Boden wird durch Wind leicht verweht – die Ertragsfähigkeit nimmt stark ab.

Die Wiederherstellung der ursprünglichen physikalischen Bodenstruktur kann ohne gezielte Maßnahmen mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Experten rechnen mit bis zu 70 Jahren, bis der Boden sich natürlich erholt.

Chemisch betrachtet verbleiben Schwermetalle über Jahrzehnte in den oberen Bodenschichten. Rückstände von Sprengstoffen wie Nitroverbindungen werden zwar teilweise durch Mikroorganismen abgebaut, doch dieser Prozess dauert fünf bis zwanzig Jahre – und ein erheblicher Anteil der Stoffe gelangt dennoch ins Grundwasser.

Ertragseinbußen zwischen 30 und 70 Prozent über mindestens zehn Jahre sind unter solchen Bedingungen keine Seltenheit. Besonders persistent zeigen sich die Stoffe PDX, Hexogen und Oktogen, deren vollständiger Abbau bis zu vier Jahrzehnte dauern kann.

Darüber hinaus sterben in einem Radius von bis zu fünf Metern um jeden Einschlagpunkt nahezu alle Regenwürmer, Pilze und Mikroben ab – auf bis zu 100 Prozent der Fläche. Die Rückkehr dieser Bodenorganismen beginnt frühestens nach acht Jahren, oft dauert es über ein Jahrzehnt. Besonders hohe Konzentrationen von Blei und Kupfer blockieren darüber hinaus pflanzliche Enzymsysteme – nicht einmal Unkräuter wachsen dann zuverlässig.

Für mindestens zwei bis drei Jahrzehnte ist der Anbau von Nahrungsmittelpflanzen auf solchen Böden kaum realisierbar. Selbst mit gezielten Maßnahmen dauert es bis zu 30 Jahre, bis sich das Bodenleben vollständig regeneriert. Die tieferen Bodenschichten und das Grundwasser bleiben über viele Jahrzehnte mit Schwermetallen belastet. Ohne umfassende Rekultivierung ist eine Wiederherstellung des Humus nahezu ausgeschlossen – mit entsprechenden Maßnahmen kann dies ebenfalls bis zu 70 Jahre beanspruchen.

Diese Analyse betrifft nur einen kleinen Landstreifen. Für genau dieses Gebiet – wie auf dem Foto dokumentiert – lässt sich der Aufwand zur Sanierung beziffern.

Die Räumung nicht explodierter Munition würde 5 bis 10 Millionen Euro pro Quadratkilometer kosten. Das Abtragen oder Auswaschen der stark belasteten obersten Bodenschicht schlägt mit 6 bis 20 Millionen Euro zu Buche. Für die Rekultivierung selbst wären nochmals 500.000 bis 1 Million Euro erforderlich. Der Anbau von Pflanzen zur Phytosanierung – etwa Raps, Luzerne oder Sonnenblume – müsste über mindestens ein Jahrzehnt fortgesetzt werden. Diese Maßnahme würde insgesamt 150.000 bis 600.000 Euro erfordern. Hinzu kommen 100.000 bis 200.000 Euro für die langfristige Überwachung der Wasser- und Bodenqualität.

In der Summe ergeben sich für diesen kleinen, stark geschädigten Abschnitt Kosten zwischen 11 und 31 Millionen Euro pro Quadratkilometer, um die Fläche wieder nutzbar zu machen.

Dabei stellt sich die Frage, wer die finanziellen Mittel für eine solche Rekultivierung aufbringen soll. Unklar ist auch, ob das internationale Umfeld bereit ist, Russland zu Reparationszahlungen für die Wiederherstellung ukrainischer Böden zu verpflichten. Ebenso bleibt offen, ob ein Interesse besteht, die agrarische Wettbewerbsfähigkeit der Ukraine zu sichern – oder ob wirtschaftliche Interessen eher in eine andere Richtung zielen. Die langfristige Zukunft der ukrainischen Agrarflächen wird in internationalen Fachkreisen bisher kaum konkret diskutiert.

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