Am 1. Juli übernimmt Ungarn für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. In dieser Zeit wird die Landwirtschaft ein zentrales Politikfeld für das osteuropäische Land sein. Ungarn betont dabei die Rolle der Landwirte als Garanten für Nahrungsmittelsicherheit – eine Rückbesinnung auf den Markenkern der europäischen Agrarpolitik. Schon in den Anfängen der europäischen Einigung war die Sicherstellung der Ernährung, geprägt von den Erfahrungen der beiden Weltkriege, ein zentrales Thema. „Nie mehr Hunger!“ lautete das Motto, das Sicco Mansholt, der Initiator der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), formulierte.
Ungarns Ziele für die Ratspräsidentschaft
Ungarn hat seine Ziele für die Ratspräsidentschaft in einem Papier vorgestellt. Darin heißt es, die langfristige Gewährleistung von Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit solle Teil der strategischen Autonomie der EU sein. Eine bauernfreundliche Politik sei hierfür essenziell. Ungarn sieht die Existenz europäischer Landwirte als bedroht an und will deren Bedeutung für die Ernährungssicherheit stärker betonen.
Das Land, das seit 2004 Mitglied der EU ist, stellt fest, dass die europäische Landwirtschaft vor vielen Herausforderungen steht. Dazu zählen außergewöhnliche Wetterbedingungen durch den Klimawandel, steigende Betriebsmittelkosten, zunehmende Importe aus Drittländern und strenge Produktionsvorschriften. Diese Faktoren hätten die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors erheblich beeinträchtigt.
Strategische Ziele und Herausforderungen
Im kommenden Halbjahr will der ungarische Ratsvorsitz den Rat „Landwirtschaft und Fischerei“ dabei unterstützen, die Regeln der EU-Agrarpolitik für die Zeit nach 2027 zu formulieren. Ziel ist es, eine wettbewerbsfähige, krisenfeste und bauernfreundliche Landwirtschaft zu gewährleisten. Obwohl Ungarn die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft als Schlüsselpriorität hervorhebt, strebt es ein „vernünftiges Gleichgewicht zwischen den strategischen Zielen des Europäischen Green Deals, der Stabilisierung der Agrarmärkte und einem angemessenen Lebensstandard für Landwirte“ an. Ungarn hat sich bisher gegen mehrere Vorhaben im Rahmen des Green Deal ausgesprochen, darunter das kürzlich verabschiedete Renaturierungsgesetz.
Ein weiteres Ziel Ungarns ist es, die Vorschläge zu EU-Gesetzen voranzubringen. Dazu gehört die Lockerung der EU-Vorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzen – ein Gesetz, an dem die belgische Ratspräsidentschaft gescheitert war. Es geht um den Umgang mit neuen Methoden in der Landwirtschaft. Zudem sieht sich Ungarn verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette deutlich zu reduzieren und neue Vorschriften für Tiertransporte und pflanzliches Reproduktionsmaterial zu erarbeiten.
Schwerpunkte und Dialog
Bereits im Mai hatte Ungarns Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums, Zsolt Feldman, bei einer Konferenz betont, dass Ungarn sich während der EU-Ratspräsidentschaft auf vier große Themen konzentrieren werde: das Beihilfeverteilungssystem, grüne Themen, Risikomanagement und Krisenmaßnahmen. Dafür sei ein Dialog mit den EU-Institutionen notwendig. „In diesem Sinne muss sich auch Brüssel ändern, denn die derzeitigen Beziehungen zur Landwirtschaft waren unzureichend und in vielerlei Hinsicht feindlich gegenüber der Landwirtschaft und den Akteuren des ländlichen Raums“, sagte Feldman. Der Green Deal sei weniger durch Strafen und Sanktionen als durch Anreize zu erreichen.