In Brüssel gehen die Diskussionen über die künftige europäische Agrarpolitik weiter. Zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission bestehen nach wie vor deutliche Differenzen, und ein gemeinsamer Kurs ist bislang nicht erkennbar. Ob die geplanten Reformen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt offen. Die Vorschläge der EU-Kommission zum Agrarhaushalt, zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stoßen vielerorts auf Kritik.
Innerhalb der europäischen Institutionen herrscht Uneinigkeit über die Ausgestaltung der Reform. Vor allem zwischen den EU-Agrarministern und dem Parlament bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Pläne von Agrarkommissar Hansen und deren Finanzierung. Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling äußerte gegenüber dem Nachrichtendienst Agra Europe, dass die Vorhaben der Kommission sowohl beim Budget als auch bei der künftigen Ausrichtung der GAP scheitern könnten. Besonders die Europäische Volkspartei (EVP) und ihr Vorsitzender Manfred Weber stünden in der Verantwortung, den Interessen der Landwirtschaft gerecht zu werden und die Kommissionspläne nicht mitzutragen.
Die Finanzierungsfrage bleibt dabei der zentrale Streitpunkt. Die Gespräche über den MFR und die GAP gestalten sich komplex und zäh. Das EU-Parlament hat bereits Anfang September in seiner Stellungnahme gefordert, die Mittel für die Agrarpolitik ab 2027 zu erhöhen. Eine Kürzung der Direktzahlungen um etwa 20 Prozent auf 300 Milliarden Euro wird von den Abgeordneten abgelehnt. Agrarkommissar Hansen konnte bislang nicht präzisieren, wie viel zusätzliches Geld den Landwirten zur Verfügung stehen soll. Die Abgeordneten sprechen sich für einen eigenständigen und gestärkten Agrarhaushalt aus und lehnen den von der Kommission vorgeschlagenen Einheitsfonds für nationale und regionale Programme ab.
Auch innerhalb des Rates formiert sich Widerstand. Zahlreiche EU-Agrarminister stehen den Reformvorschlägen kritisch gegenüber. Besonders die geplanten Einsparungen im Haushalt, der sogenannte NRP-Fonds sowie die nationalen Strategiepläne stoßen auf Ablehnung. Osteuropäische Mitgliedstaaten wehren sich gegen die vorgesehene Kappung und Degression der Direktzahlungen ab einer Summe von 20.000 Euro. Dagegen sehen Länder wie Schweden und Finnland in den Vorschlägen Chancen, mehr Spielraum bei der Mittelverwendung zu erhalten und Verwaltungsaufwand zu verringern.
In Deutschland lehnen insbesondere die Agrarminister der ostdeutschen Länder eine Begrenzung oder Staffelung der Zahlungen ab. Sie verweisen auf die Bedeutung stabiler Direktzahlungen für die Sicherung der Ernährung und den Fortbestand von Land- und Forstbetrieben. Wie schon bei früheren Reformen könnte die Kommission am Ende darauf verzichten, eine verpflichtende Kappung und Degression festzuschreiben.
Die laufenden Verhandlungen über die Agrar- und Finanzreform könnten sich noch über Monate hinziehen. Ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Sollte keine Einigung erzielt werden, müsste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen möglicherweise einen neuen Entwurf vorlegen. Dass Vorhaben im Agrarbereich scheitern, wäre kein Novum: Schon bei der geplanten EU-Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln war es nicht gelungen, eine Mehrheit im Parlament zu erreichen.
