Das Umweltbundesamt (UBA) steht derzeit im Fokus intensiver Kritik, nachdem Hinweise auf gefälschte CO2-Minderungsprojekte in China aufgetaucht sind. UBA-Chef Dirk Messner räumte ein, dass es sich bei den Betrugsfällen nicht um vereinzelte Vorkommnisse, sondern möglicherweise um ein umfassendes Betrugssystem handeln könnte.
Normalerweise ist das Umweltbundesamt dafür bekannt, Unternehmen für unzureichendes Umweltverhalten zur Rechenschaft zu ziehen. Doch jetzt sieht sich die Behörde selbst mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. Konkret geht es um sogenannte Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER) in China, die angeblich zur CO2-Reduktion beitragen sollen. Diese Projekte zielen darauf ab, Treibhausgasemissionen bei der Gewinnung fossiler Brennstoffe zu senken. Der Umweltausschuss im Bundestag befasste sich am 12. Juni auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit der Frage, inwieweit die behaupteten Einsparungen tatsächlich real waren.
Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte das Bundesumweltministerium (BMUV) und das UBA dafür, dass sie trotz früherer Hinweise auf mögliche Betrugsfälle nicht reagiert hätten. Dies habe zu einem geschätzten Schaden von 4,5 Milliarden Euro geführt, so ein Unionsmitglied. Auch die AfD-Fraktion äußerte Unverständnis darüber, dass ein solcher Betrug nicht entdeckt wurde, obwohl er angeblich leicht mittels Google-Earth-Satellitenbildern hätte aufgedeckt werden können.
Hinweise von Whistleblowern und Medienrecherchen, die auf Satellitenbildern basieren, legen nahe, dass mehrere UER-Projekte gefälscht sind. Beispielsweise sollen bestehende Anlagen als neue Projekte deklariert worden sein, oder es wurden Projekte gemeldet, die gar nicht existieren. Diese Vermutungen bestätigte Dirk Messner vor dem Ausschuss.
Seit 2018 haben Ölkonzerne die Möglichkeit, durch UER-Projekte die gesetzlichen Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen. Diese Projekte sollen den CO2-Ausstoß bei der Ölförderung verringern, indem Begleitgase nicht abgefackelt, sondern anderweitig genutzt werden. Für die eingesparten Emissionen erhalten die Unternehmen UER-Zertifikate, die zur Erfüllung der Treibhausminderungsquote (THG-Quote) angerechnet werden.
Die Vorwürfe beunruhigen die Mitglieder der Koalition, da UER-Projekte ein wichtiges Instrument des Klimaschutzes sind. Die Glaubwürdigkeit dieser Projekte steht auf dem Spiel, betonte ein SPD-Mitglied. Jan-Niclas Gesenhues, Parlamentarischer Staatssekretär im BMUV, erklärte, man habe sofort nach den Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten reagiert. Seit August 2023 gehe das UBA den Vorwürfen nach. Ende Mai wurde eine Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht, und das System der Anrechenbarkeit von UER-Projekten wurde vorzeitig gestoppt.
Dirk Messner bestätigte, dass es sich möglicherweise um ein Betrugssystem handelt. Das UBA habe die Herausforderung, aus den Verdachtsfällen gerichtsfeste Beweise zu entwickeln. Von den 60 existierenden UER-Projekten wurden zwei rückabgewickelt und zwei in der Antragsphase gestoppt. 36 weitere Projekte stehen unter Verdacht.
Die Untersuchung zeigte, dass unabhängige Zertifizierer und Validierer vor Ort eine entscheidende Rolle spielen. Da das UBA auf ihre Unterlagen angewiesen ist, müssen diese seriös arbeiten. Der Verdacht richtet sich nun gegen zwei Mitarbeiter von zwei Validierungsunternehmen, die bei den verdächtigen Projekten involviert waren.
In zehn von 40 überprüften Fällen bestehen große Zweifel, ob die Anlagen überhaupt existieren. In weiteren zehn Fällen waren die Projektangaben wahrscheinlich fehlerhaft. Die angeblich erzielte CO2-Reduktion ließen sich Mineralölunternehmen auf die THG-Quote anrechnen, was den Preisdruck auf Biokraftstoffe erhöhte und bis zur Landwirtschaft durchschlug.
Branchenvertreter kritisieren die unzureichende Überprüfung durch das UBA. Das Hauptstadtbüro Bioenergie fordert ein Moratorium, sodass nur zweifelsfrei rechtmäßige Projekte angerechnet werden. Die überarbeitete UER-Verordnung vom 22. Mai 2024 wird als unzureichend angesehen, da sie weder den entgangenen Klimaschutzbeitrag nachholt noch zukünftige Betrugsfälle verhindert. Die Branche fordert eine erneute Anpassung der Verordnung und eine unabhängige Drittprüfung.