Der Einfluss des Mercosur-Abkommens auf den europäischen Rindfleischmarkt wird voraussichtlich geringer ausfallen, als bisher angenommen. Zu dieser Einschätzung gelangt Alan Matthews, emeritierter Professor für europäische Agrarpolitik am Trinity College in Dublin. Matthews äußerte Zweifel an der weitverbreiteten Befürchtung, dass durch das Abkommen die Importe von frischem Rindfleisch aus Südamerika stark ansteigen könnten. Er hält die Sorgen der Branchenvertreter bezüglich eines durch Importe von hochpreisigem Premium-Fleisch verursachten Preisdrucks für übertrieben.
Laut Matthews würde eine Erhöhung der bestehenden Zollkontingente mit reduzierten Zollsätzen nicht automatisch zu einer Steigerung der Importe führen. Argentinien und Uruguay exportieren bereits jetzt bedeutende Mengen hochwertigen frischen Rindfleischs zu regulären Zollsätzen in die EU, wobei Deutschland ein wichtiger Markt ist. Das im Handelsabkommen festgelegte Zollkontingent für frisches Rindfleisch werde daher voraussichtlich keine nennenswerten zusätzlichen Einfuhren nach sich ziehen, so Matthews in einem Meinungsbeitrag für den Online-Blog „Capreform“.
In dem Beitrag erläuterte Matthews weiter, dass die EU im Rahmen des Abkommens zwei neue separate Zollkontingente für südamerikanisches Rindfleisch eingerichtet hat. Jährlich können demnach 44.550 Tonnen gefrorenes Rindfleisch und 54.450 Tonnen frisches Rindfleisch zu einem ermäßigten Zollsatz in die EU eingeführt werden. Jegliche Mengen darüber hinaus unterliegen weiterhin dem normalen Zollsatz.
Daten der EU-Kommission zufolge wurden im Jahr 2024 insgesamt 105.000 Tonnen Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten importiert. Davon wurden etwa 60.000 Tonnen über bestehende historische Zollkontingente eingeführt, während weitere rund 45.000 Tonnen zum vollen Zollsatz importiert wurden. Matthews argumentiert, dass das im Mercosur-Abkommen vorgesehene Zollkontingent für frisches Fleisch von 54.550 Tonnen nicht zusätzlich zu diesen Importen hinzukommen wird, sondern dass die bereits zu vollen Zollsätzen importierten 45.000 Tonnen in das neue Kontingent mit günstigeren Zöllen übergehen werden. Folglich wird nur die Differenz als zusätzlicher Import erwartet, was etwa 10.000 Tonnen zusätzliches Frischfleisch bedeuten würde.
Der irische Agrarökonom sieht den Großteil der zusätzlichen Importe aus Südamerika im Bereich des Gefrierfleischs, da bisher kaum gefrorenes Rindfleisch zu vollen Zollsätzen in die EU exportiert wurde. Diese gefrorenen Fleischstücke konkurrieren nicht direkt mit frischen Premiumstücken auf dem Markt, sondern werden hauptsächlich in Ländern wie Italien und Spanien zur Herstellung von verarbeiteten Fleischprodukten verwendet.
Matthews schlussfolgert, dass die Mercosur-Importe die EU-Erzeugerpreise für Rindfleisch höchstens um etwa 2% senken könnten. Verglichen mit den üblichen Schwankungen der Marktpreise stellt das Mercosur-Abkommen somit keine signifikante Bedrohung für das hochpreisige Fleisch in Europa dar.