Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir setzt sich für eine Stärkung der Landwirte auf dem Milchmarkt ein und möchte dazu Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) aktivieren. Dieser Vorschlag sieht vor, für 80 % der Milchlieferungen einen verbindlichen Preis vorab festzulegen. Während der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und andere Organisationen diese Initiative begrüßen, äußern der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) Bedenken.
DBV und DRV argumentieren in einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner, dass nationale Regelungen die globalen Marktkräfte nicht ausgleichen können und dass kleinbäuerliche Strukturen dadurch nicht effektiv geschützt würden. Ihrer Meinung nach könnten die Neuerungen die bisherige Annahmepflicht der Verarbeiter gefährden und somit zu Vermarktungsschwierigkeiten für kleinere Betriebe führen. Sie kritisieren zudem den Eingriff in die Vertragsfreiheit und befürchten, dass die Einführung von Artikel 148 mit erheblichem bürokratischem Aufwand und Mehrkosten verbunden wäre, was letztlich nicht im Interesse der Milcherzeuger liegen würde.
Die Verbände schlagen stattdessen vor, die Möglichkeiten von Artikel 149 GMO zur Anhebung der Bündelungsobergrenzen für Erzeugergemeinschaften zu nutzen, um die Verhandlungsposition der Milchbauern zu stärken, ohne in die Vertragsfreiheit einzugreifen. Zudem sehen sie in Artikel 210a GMO eine Chance, durch Ausnahmen vom Kartellrecht Nachhaltigkeitsziele zu fördern, beispielsweise durch die verbindliche Durchsetzung von Preisaufschlägen in Mehrwertprogrammen. Dies würde eine wirksamere und ökonomisch sinnvollere Möglichkeit darstellen, die Branche weiterzuentwickeln und die Position der Erzeuger zu stärken.
Die Diskussion um Artikel 148 GMO zeigt die komplexe Herausforderung, faire Bedingungen für Milchbauern zu schaffen, ohne ungewollte negative Effekte für den Markt oder die betroffenen Betriebe zu provozieren. Die unterschiedlichen Ansichten von BDM, DBV und DRV unterstreichen die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes, der die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.