Die Prognosen für die Ernten 2024 haben sich verschlechtert und treiben die Preise für Getreide in die Höhe. Landwirte sollten die derzeit aufgehellte Stimmung für Vorverträge nutzen. Doch was sollten sie mit unverkauften Lagerbeständen der alten Ernte tun?
Der April zeigte wieder einmal seine typische Wetterlaunenhaftigkeit und brachte kräftig schwankende Getreidepreise. Seit dem Monatswechsel sind jedoch nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Kurse für Weizen, Gerste und andere Getreidesorten gestiegen. Die Aussichten für die neue Ernte sind deutlich positiver als noch im kühlen März und April. Mitte Mai notierte September-Weizen an der Pariser Terminbörse Matif knapp unter 260 Euro pro Tonne, etwa 50 Euro höher als im Vormonat.
Die Gründe für diesen Preisanstieg sind vielfältig. Geopolitische Krisen, insbesondere in der Ukraine und im Nahen Osten, sorgen für starke Preisschwankungen. Börsen reagieren auf jede Änderung der globalen Versorgungslage, etwa durch verstärkte russische Angriffe auf wichtige Punkte in der Ukraine. Seit Anfang Mai dominieren jedoch Wetterberichte und festere Preistendenzen die Getreidemärkte.
Trockenheit in den USA und Russland treibt die Preise weiter in die Höhe. Die erwarteten Regenfälle in beiden Ländern blieben aus. Das russische Analystenhaus Ikar senkte seine Prognose zur Weizenernte 2024/25 um 2 Millionen Tonnen auf 91 Millionen Tonnen und reduzierte die Ausfuhrprognose um 1,5 Millionen Tonnen auf 50,5 Millionen Tonnen.
Auch die Bewertungen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) der Anbauflächen in den USA Ende April sorgten für eine freundliche Stimmung an den Börsen: Weniger als die Hälfte der US-Weizenflächen befand sich in einem guten bis sehr guten Zustand. Die Weizenfläche in der Ukraine wird für die kommende Ernte laut dem USDA-Büro in Kiew auf 4,8 Millionen Hektar geschätzt, etwa 5 % weniger als im Vorjahr. Die Erntemenge könnte mit gut 21 Millionen Tonnen rund 9 % kleiner ausfallen als im Vorjahr.
Die jüngste USDA-Schätzung stützt diese Einschätzung: Die weltweite Weizenernte könnte im Wirtschaftsjahr 2024/25 mit gut 798 Millionen Tonnen auf ein Rekordniveau steigen. Die globalen Endbestände werden jedoch unter 254 Millionen Tonnen fallen und damit noch kleiner ausfallen als in der April-Schätzung.
Auch die Sorgen um die Weizenbestände im Nordwesten Europas, vor allem in Frankreich und Deutschland, stützen die freundliche Tendenz. Das viel zu nasse Winterhalbjahr war keine gute Voraussetzung für das Wachstum der Getreidebestände. Die Pflanzen in den feuchten Böden könnten nicht tief genug gewurzelt haben, um eine mögliche Frühsommertrockenheit zu überstehen.
Analysten von Strategie Grains schätzen die EU-Weizenernte weiterhin rund 3 % unter dem Vorjahresergebnis. Zuletzt wurde die Erntemenge auf 121,8 Millionen Tonnen EU-Weizen geschätzt. Die EU-Kommission hat ihre Schätzung jedoch auf 120,2 Millionen Tonnen gesenkt, rund 600.000 Tonnen weniger als in früheren Prognosen.
Bis zum Erntestart bleiben die Absatzmöglichkeiten für europäischen und deutschen Weizen eher gedämpft. Im Export lässt sich kaum Ware platzieren, da Russland und die Ukraine preislich weiterhin im Vorteil bleiben. Die Entwicklung am Schwarzen Meer sollte daher genau beobachtet werden.
Am Kassamarkt in Deutschland kauften zuletzt vor allem Kraftfutterwerke Futterqualitäten ein, während viele Mühlen gut – teils über die Ernte hinaus – versorgt sind. Die Abgabebereitschaft der Landwirte für alten Weizen variiert. Während noch unverkaufte Bestände in den Lagern vermutet werden, gehen andere Beobachter von einer höheren Verkaufsbereitschaft aus.
Die Vermarktung der neuen Ernte 2024 wurde bisher vernachlässigt, obwohl die Kurse deutlich über denen der alten Ernte liegen. Einige Erzeuger planen, noch vorhandenes Getreide ins neue Wirtschaftsjahr 2024/25 mitzunehmen. Dafür müssen jedoch nach der langen Lagerdauer einwandfreie Partien angeboten werden können.
Die Getreidemärkte richten ihren Blick zunehmend auf die neue Ernte. Die Preise für neuen Weizen, Gerste und andere Getreidesorten sind deutlich gestiegen und haben sich von der alten Ernte abgesetzt. Bis zur Ernte kann die gute Stimmung jedoch wieder kippen. Landwirte sollten daher einen Teil ihrer Ernte zu den aktuell attraktiven Konditionen absichern.