Die Diskussionen um die fehlerhafte Deklaration von Schlachtbullen durch die Raiffeisen Viehzentrale (RVZ) reißen auch Wochen nach Bekanntwerden der Vorfälle nicht ab. In insgesamt 43 Fällen sollen über 1.100 Tiere fälschlich einer höheren Haltungsstufe zugeordnet worden sein. Die Vorwürfe wiegen schwer und führten bereits zum Ausschluss des Unternehmens aus dem QS-System.
Nach Einschätzung der Qualitätssicherungsgesellschaft wurden mit den Manipulationen gezielt gesetzte Standards unterlaufen. Die Konsequenz: Der Entzug der Teilnahmeberechtigung am Qualitätssicherungssystem – ein seltener und scharfer Schritt, der auf die Tragweite des Falls verweist.
Trotz der Schwere des Vorwurfs bleibt vieles unklar. Der genaue Ablauf der Fälschungen sowie die konkreten Verantwortlichkeiten sind weiterhin nicht offengelegt. Das von der RVZ beauftragte forensische Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wurde bislang nicht veröffentlicht. Dabei wäre eine geschwärzte Version denkbar gewesen, um sensible Daten zu schützen und dennoch Transparenz zu schaffen.
Bei der jüngsten Mitgliederversammlung der Genossenschaft wurden laut internen Berichten sowohl ehrenamtliche als auch hauptamtliche Verantwortliche einstimmig entlastet. Eine Gelegenheit zur öffentlichen Aufarbeitung blieb damit ungenutzt. Pressevertreter waren zu der Versammlung nicht zugelassen, was zusätzliche Fragen aufwirft.
Offene Punkte bleiben zahlreich. Ungeklärt ist, aus welchem Motiv die beiden belasteten Mitarbeiter gehandelt haben und ob sie eigenverantwortlich oder auf Anweisung agierten. Auch ist bisher nicht nachvollziehbar, wer von der fehlerhaften Haltungskennzeichnung profitiert hat. Ebenso bleibt offen, weshalb der Betrug erst mit erheblicher Verzögerung festgestellt wurde und welche internen Kontrollmechanismen in Zukunft greifen sollen.
Die RVZ erklärt, dass durch die Vorfälle kein wirtschaftlicher Schaden für die landwirtschaftlichen Betriebe entstanden sei. Diese Aussage lässt sich jedoch von außen kaum überprüfen, solange keine Einsicht in die entsprechenden Unterlagen gewährt wird. Unbestritten ist, dass der Vorfall dem Ansehen der gesamten Lieferkette geschadet hat.
Verbraucher, Handel und landwirtschaftliche Erzeuger sind gleichermaßen von dem Vertrauensverlust betroffen. Die Verunsicherung in der Branche ist spürbar. Auch außerhalb der Fachwelt hat der Fall inzwischen größere mediale Aufmerksamkeit erfahren. Das öffentliche Interesse an einer transparenten Aufarbeitung bleibt hoch.
Für die RVZ steht nun im Raum, wie sie verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will. Eine klare Kommunikation über die Hintergründe und geplante Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Fehler wären ein erster Schritt. Ohne weitere Aufklärung bleiben jedoch viele Fragen offen – nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch in der breiten landwirtschaftlichen Öffentlichkeit.

