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Biogasanlagen zwischen Warten und Handeln

Noch ist offen, ob das Biomassepaket der Bundesregierung rechtzeitig zur Oktoberausschreibung wirksam wird. Betreiber von Biogasanlagen stehen deshalb vor grundlegenden Entscheidungen. Die fehlende beihilferechtliche Genehmigung durch die EU schafft Unsicherheit. Ein Inkrafttreten bis Oktober bleibt ungewiss – ebenso wie die Aussicht auf ein erhöhtes Ausschreibungsvolumen.

Biogasanlage

In dieser Lage stellt sich für viele Betreiber die Frage, ob sie sich unter den bisherigen Bedingungen um einen Zuschlag bemühen oder alternative Wege in Betracht ziehen sollen. Die Redaktion hat daher eine Artikelserie zum Thema „Biomassepaket“ ins Leben gerufen. Fachleute aus Beratung, Projektierung und Rechtswesen geben darin ihre Einschätzungen. In diesem Beitrag äußert sich Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl von der Kanzlei Paluka aus Regensburg zur derzeitigen Situation und zeigt mögliche Strategien auf.

Sollte das Biomassepaket bis Oktober nicht in Kraft treten und die Ausschreibungsbedingungen gemäß EEG 2023 fortgelten, bleibt für viele Betreiber nur wenig Spielraum. Loibl hält es für unwahrscheinlich, dass die neuen Regelungen rechtzeitig greifen. Das Paket biete zwar in vielen Fällen wirtschaftliche Perspektiven, verlange aber auch deutliche Investitionen in Technik wie Blockheizkraftwerke und Speichersysteme. Betreiber, die solche Maßnahmen nicht stemmen können oder wollen – etwa wegen Alters oder fehlender Nachfolge –, sehen sich gezwungen, noch unter dem alten System einen Zuschlag zu erlangen. Dabei bleibt ihnen lediglich eine Bemessungsleistung von 45 Prozent (Volllaststunden) für zehn Jahre. Allerdings sind die Bedingungen aktuell ungünstig: Bei der Ausschreibung im April lag der letzte Zuschlag bei 17,19 Cent/kWh.

Falls das Paket später wirksam wird, verlangt es umfangreiche technische Aufrüstungen und Leistungssteigerungen. Dies setzt in der Regel auch eine behördliche Genehmigung voraus. Anträge auf Änderungsgenehmigungen sollten möglichst bald gestellt werden, da sich die Verfahren oft über ein bis zwei Jahre hinziehen. In der Vergangenheit konnten Betreiber auch mit alten Genehmigungen an Ausschreibungen teilnehmen und nachträglich aufrüsten. Inzwischen wird aber zunehmend verlangt, dass bereits zum Ausschreibungszeitpunkt eine Genehmigung über die volle Gebotsleistung vorliegt.

Manche Berater regen an, die Umstellung auf eine Neuanlage zu prüfen. Wer diesen Weg wählt, setzt meist auf ein komplett neues System mit großem Überbau. Für die Anerkennung als Neuanlage müssen neue Behälter gebaut werden. Zwei zusätzliche Behälter erhöhen die Investitionskosten von etwa 3 auf 4,5 Millionen Euro. Der Aufwand lohnt sich jedoch: Eine Neuanlage erhält die EEG-Vergütung für volle 20 Jahre, hinzu kommt ein verlängerter Anspruch auf den Flexzuschlag. Bei einer Anlage mit 4 MW Anschlussleistung und 500 kW Bemessungsleistung summieren sich die Vergütungen auf rund acht Millionen Euro. Auch der Strommarkt eröffnet durch flexible Fahrweise zusätzliche Ertragsmöglichkeiten.

Für eine Neuanlage ist allerdings eine Genehmigung vor der Ausschreibung zwingend erforderlich. Betreiber sollten diesen Prozess rechtzeitig starten. Wer bestehende Anlagenteile weiterverwenden möchte, muss dem Netzbetreiber ein Rechtsgutachten zum Neuanlagenstatus vorlegen. Dabei ist darauf zu achten, dass alte BHKW entfernt und ein Teil der bestehenden Struktur aufgegeben wird.

Angesichts der langen Genehmigungsfristen scheint eine Teilnahme an der Ausschreibung 2026 unrealistisch. Sollte sich die Gesetzeslage nicht ändern, wäre 2027 von einem geringeren Ausschreibungsvolumen auszugehen. Im Jahr 2028 hingegen käme das ungenutzte Volumen aus 2025 hinzu, was bessere Chancen auf einen Zuschlag verspricht.

Falls eine Altanlage vorher ausläuft, empfiehlt sich ein niedrig angesetztes Gebot bei einer laufenden Ausschreibung. Dies ermöglicht den Weiterbetrieb – oft mit reduzierter Leistung und einer flexiblen Fahrweise, um am Strommarkt zusätzliche Erlöse zu erzielen. Diese Lösung dient als Übergang, bis eine neue Anlage realisiert werden kann.

Standardisierte Handlungsempfehlungen lassen sich kaum geben. Jede Biogasanlage bringt individuelle Voraussetzungen mit sich, die in die Entscheidung einfließen müssen.

Eine vom EEG unabhängige Lösung wie etwa ein PPA (Power Purchase Agreement) in Kombination mit Wärmelieferung erscheint derzeit schwer umsetzbar. Die Vollkosten liegen häufig bei rund 17 Cent/kWh, ohne dass bereits in Technik investiert wurde. Bei einem durchschnittlichen Marktwert von 8 Cent müsste der Wärmepreis dauerhaft über 12 Cent netto pro kWh liegen, um wirtschaftlich zu sein. Auch größere Gasspeicher wären nötig, was die Kosten weiter steigen lässt. Daher stellt sich die Frage, ob bei solchen Wärmepreisen nicht ein Gasbrenner, der doppelt so viel Wärme erzeugt wie Strom, die wirtschaftlichere Alternative wäre – insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden Energiesteuern auf Rohbiogas.

Auch die Aufbereitung zu Biomethan bleibt ein Thema. Laut aktuellem Gesetzesentwurf könnten Netzanschlussanträge, die bis 2025 gestellt werden, noch von der Deckelung auf 250.000 Euro bei Leitungslängen unter einem Kilometer profitieren. Zwar sind die Biomethanpreise derzeit niedrig, doch eine Erholung in den nächsten Jahren ist nicht ausgeschlossen. Für Anlagen mit gesichertem Zugang zu Wirtschaftsdüngern und Reststoffen kann sich die Aufbereitung langfristig lohnen. Anlagen mit bestehender, funktionierender Wärmenutzung sollten diesen Vorteil jedoch nicht leichtfertig aufgeben.

Eine weitere Variante besteht im gezielten Rückbau. Viele Anlagen lassen sich durch drastische Reduktion der Einsatzstoffmengen in hocheffiziente Systeme umwandeln. Dadurch entsteht mehr Spielraum für Stromvermarktung bei gleichzeitiger Reduktion der Betriebskosten. Wer auf kostenfreie Stoffe wie Gülle zurückgreifen kann, erreicht selbst mit geringer installierter Leistung durch hohe Überbauung und flexible Nutzung gute Ergebnisse. Ein Beispiel: Eine Anlage mit 900 kW Leistung, die mit durchschnittlich 120 kW betrieben wird und dabei überwiegend auf Hofgülle setzt, kann durch reduzierte Kosten und gezielte Marktteilnahme wirtschaftlich stabil arbeiten.

Vorausschauendes Handeln bleibt entscheidend. Wer bereits jetzt plant und die Genehmigungsverfahren in Angriff nimmt, könnte vom höheren Ausschreibungsvolumen im Jahr 2028 profitieren. Wenn das Biomassepaket zu Jahresbeginn 2026 in Kraft tritt, ergibt sich für dieses und das übernächste Jahr ein attraktives Ausschreibungsumfeld. Wer heute handelt, schafft sich die nötige Basis, um davon zu profitieren.

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