Die Diskussion um die Einführung verbindlicher Milchlieferverträge in Deutschland spitzt sich zu und wirft ein Schlaglicht auf die tiefen Gräben innerhalb der Milchwirtschaft sowie zwischen politischen Lagern. Trotz des Bestrebens des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir, den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung national umzusetzen, stößt dieser Plan auf erheblichen Widerstand.
Minister Özdemir und sein Team sind fest davon überzeugt, dass verbindliche Verträge zwischen Molkereien und Milcherzeugern die prekäre Situation der Milchbauern verbessern könnten. Der vorgelegte Verordnungsentwurf sieht vor, dass Molkereien ihren Lieferanten für mindestens 80 % der Milchmenge schriftliche Verträge anbieten müssen, die Preis und Menge genau festlegen. Ziel ist es, den Milcherzeugern mehr Sicherheit und Planbarkeit zu geben.
Jedoch wird dieses Vorhaben nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch innerhalb der Bundesregierung kritisch gesehen. Während ein ungewöhnliches Bündnis aus verschiedenen landwirtschaftlichen Verbänden wie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Land schafft Verbindung (LsV), Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die Freien Bauern die Pläne unterstützen und sogar eine Ausweitung auf 100 % der Milchmenge fordern, stehen andere – darunter der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Raiffeisenverband und der Milchindustrie-Verband – den Plänen skeptisch gegenüber und befürchten mehr Bürokratie und höhere Kosten.
Die politische Debatte zeigt ebenfalls eine klare Spaltung: Während die FDP innerhalb der Ampelkoalition bremst, haben sich die CDU/CSU-geführten Agrarministerien der Länder gegen die Pläne ausgesprochen. Es entsteht der Eindruck, dass parteipolitische und taktische Überlegungen eine Rolle spielen könnten, was die Zukunft der Verordnung ungewiss macht.
Die aktuelle Situation im Milchmarkt zeigt, dass dringend Lösungen benötigt werden, die über den Artikel 148 hinausgehen. Die Branche sollte sich auf gemeinsame Ziele wie attraktivere Prämien für Grünland oder strengere Auflagen für den Lebensmittelhandel konzentrieren, anstatt Energie in internen Streitigkeiten zu verschwenden. Einige Molkereien haben bereits begonnen, ihre Lieferbeziehungen zu adjustieren und bieten Festpreise oder Unterstützung bei der Börsenabsicherung an. Diese Ansätze könnten als Vorbild für eine branchenweite Lösung dienen.
Das Ringen um den Artikel 148 ist symptomatisch für größere Herausforderungen im Agrarsektor. Eine gemeinsame Position der Verbände könnte der Politik helfen, effektivere und praxisnahe Regelungen zu schaffen, die den Milchbauern wirklich zugutekommen und den Sektor insgesamt stärken.