Anfang September werden die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten in Brasilia fortgesetzt, um ein umfassendes Freihandelsabkommen zu diskutieren. Diese Verhandlungen, die bereits über zwei Jahrzehnte andauern, stehen kurz vor einer möglichen Einigung, die eine der größten Freihandelszonen der Welt schaffen könnte.
Laut einem Sprecher der EU-Kommission liegt der Schwerpunkt der EU darauf, sicherzustellen, dass das Abkommen zu den Nachhaltigkeitszielen der EU beiträgt und die Interessen der europäischen Landwirtschaft angemessen berücksichtigt werden. Dennoch herrscht in landwirtschaftlichen Kreisen Skepsis bezüglich der Auswirkungen dieses Abkommens. Georg Strasser, Präsident des Österreichischen Bauernbundes, äußerte kürzlich starke Bedenken und bezeichnete das geplante Abkommen als „Steinzeit-Pakt“, der die heimischen Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft gefährden könnte.
Die dynamische Verhandlungshaltung der EU, die auch durch Aussagen des Chefverhandlers Rupert Schlegelmilch unterstrichen wird, zeigt den Wunsch, die Verhandlungen zügig zum Abschluss zu bringen. Dies stößt jedoch nicht nur auf Zustimmung. Frankreichs Präsident Emanuel Macron forderte beispielsweise eine vollständige Neuaushandlung des Abkommens, angesichts der wachsenden landwirtschaftlichen Proteste in Europa gegen Freihandelsabkommen wie das Mercosur.
Die ökonomische Analyse von Gabriel Felbermayer, Präsident des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, suggeriert, dass die EU durch steigende Forderungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz möglicherweise zu große Zugeständnisse im Agrarhandel gemacht hat, was zu einem Stillstand der Verhandlungen führen könnte. Dieser Zustand könnte insbesondere China zugutekommen, das seinen globalen Einfluss weiter ausbaut.
Ein weiteres Hindernis für die Verhandlungen ist die politische Situation in den Mercosur-Staaten. Die frühere Amtszeit des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und die aktuelle Regierung in Argentinien unter Präsident Javier Milei zeigen, dass politische Unberechenbarkeit und ideologische Spannungen die Verhandlungen zusätzlich komplizieren.
Trotz der grundsätzlichen Einigung im Jahr 2019 über die Liberalisierung des Handels zwischen den beiden Blöcken bleiben kritische Fragen zur Nachhaltigkeit und den Arbeitsbedingungen ungelöst. Die EU hat neue Forderungen nach strengeren Nachhaltigkeitsstandards gestellt, was von den südamerikanischen Staaten als „Werte-Imperialismus“ kritisiert wird.
Die kommenden Verhandlungen in Brasilia werden zeigen, ob eine Brücke zwischen den ambitionierten Zielen der EU und den Bedenken der südamerikanischen Staaten geschlagen werden kann, um ein Abkommen zu sichern, das sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Vorteile bietet.