Ein beträchtlicher Anteil des EU-Budgets, fast ein Drittel, fließt in die Landwirtschaft. Deutsche Bauern profitieren davon erheblich: Aktuell erhalten sie etwa 6,3 Milliarden Euro jährlich, verteilt über zwei Säulen – die flächenbasierte Erste Säule und die maßnahmenorientierte Zweite Säule. Diese Förderungen sollen eine nachhaltige Landwirtschaft und die Versorgungssicherheit unterstützen. Doch der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sieht das bestehende System angesichts neuer Herausforderungen als überholt an.
In einer kürzlich in Berlin gehaltenen Rede zur Vorstellung des Ernährungsreports betonte Özdemir die Notwendigkeit, das bestehende Fördersystem der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu überdenken, besonders im Hinblick auf mögliche EU-Erweiterungen. Die Aufnahme von Agrargroßmächten wie der Ukraine könnte die Finanzierbarkeit der bisherigen Flächenprämien infrage stellen. Der Minister sieht die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der GAP, um die Förderpolitik nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten.
Özdemir schlägt vor, die Vergütung in der Landwirtschaft nicht mehr primär flächenbasiert zu gestalten, sondern die Qualität und den gesellschaftlichen Beitrag der landwirtschaftlichen Produktion stärker zu berücksichtigen. Mehr Klimaschutz, Artenvielfalt und Tierwohl sollen nicht nur gefordert, sondern auch finanziell attraktiv gemacht werden für die Landwirte.
Trotz der schwierigen politischen Lage und Gerüchten über ein vorzeitiges Ende der aktuellen Regierungskoalition betont der Minister, dass bis zum letzten Arbeitstag Projekte vorangetrieben werden sollen. Besonders am Herzen liegt ihm dabei die Verbesserung der Tierhaltung, eine Initiative, die bisher an finanziellen Hürden scheiterte.
Ein weiteres großes Thema, das Özdemir anspricht, ist die Lebensmittelverschwendung und der ökologische Landbau. Eine kürzlich durchgeführte forsa-Umfrage zum Ernährungsreport zeigt, dass die deutsche Bevölkerung deutlich hinter den Forderungen nach besseren Tierhaltungsbedingungen und weniger Lebensmittelabfällen steht. Über 85% der Befragten befürworten auch eine verpflichtende Kennzeichnung der Tierhaltung auf Fleisch- und Milchprodukten.
Zum Abschluss seiner Rede kündigte der Minister an, dass ab dem 1. August 2025 eine Kennzeichnungspflicht für frisches Schweinefleisch in Kraft treten wird, welche bald auf die Außer-Haus-Verpflegung und weitere Nutztierarten ausgeweitet werden soll. Obwohl die konkrete Tierart noch nicht bekannt gegeben wurde, ist es wahrscheinlich, dass es sich um Rindfleisch oder Geflügel handeln wird.
In Zeiten globaler und europäischer Veränderungen steht die deutsche Landwirtschaft somit vor erheblichen Anpassungen, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringen.