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Miriam Grab-Iten aus Unterägeri ZG ist im Initiativkomitee der Nationalen Wolfsinitiative. Gegenüber schweizerbauer.ch erklärt sie die Beweggründe zur Lancierung. Und sie führt aus, was die Initiative will.
«Schweizer Bauer»: Was für einen Bezug haben Sie zur Landwirtschaft?
Miriam Grab-Iten: Mein Mann führt einen Landwirtschaftsbetrieb mit Mutterkuhhaltung. Wir halten ausserdem vier eigene Pferde und Ponys und haben sieben Pensionäre.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie im Komitee der Wolfsinitiative sind?
Es ist ein Herzensprojekt für unsere Kinder und für unsere Tiere. Unsere beiden Kinder sind 11- und 13-jährig und kommen langsam in ein Alter, indem sie selbstständiger werden und mehr Freiheiten bekommen. Unsere Tochter ist immer häufiger allein mit dem Pony unterwegs. Vor einem Jahr gab es in unserer Gegend wieder eine Wolfssichtung, gleichzeitig hört man, dass in Deutschland sehr viele Ponys und auch grosse Pferde gerissen und schwer verletzt werden.
Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Ich mache mir Sorgen um meine Kinder. So wie sich die Wolfssituation entwickelt, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir auch hier Wolfsrudel haben. Dann ist es keine Option mehr, die Kinder mit den Ponys allein in den Wald zu lassen. Auch für Erwachsene auf Pferden wird es gefährlich. Immerhin sitzen wir auf einem Fluchttier, das auf ein Grossraubtier wie den Wolf heftig reagieren kann. Aber auch Jogger, Biker oder Spaziergänger werden betroffen sein, je näher der Wolf zu den Siedlungsgebieten kommt. Ein weiterer Aspekt, der mich dazu bewegt, im Komitee aktiv zu sein, ist unsere tierhaltung.
Was meinen Sie damit?
Wir halten unsere Pferde, Ponys und Mutterkühe in Offenställen, und ich bin sehr stolz auf diese artgerechte Haltung. Ich will nicht, dass es plötzlich heisst «Bitte wieder alles einstallen». Pferde und Ponys wären wieder in Boxen eingesperrt wie früher. Um unsere Offenställe «wolfssicher» zu machen, wären aber erhebliche bauliche Massnahmen notwendig, mit Einschränkung der Lebensqualität der Tiere. Würden wir unsere Weiden wolfssicher einzäunen – so wie es der Herdenschutz vorsieht –, schädigen wir die Biodiversität auf unserem Betrieb.
Können Sie das ausführen?
Auf unseren Flächen gibt es Fuchs- und Dachsbauten, Rehe kommen auf die Weideflächen zum Grasen. Die Wildtiere können sich frei bewegen. Wir haben nur zwei Stromlitzen gespannt, die sie umgehen können. Würden wir einen herdenschutztauglichen Zaun stellen, um Wölfe abzuhalten, zerschneiden wir gleichzeitig den Lebensraum von allen anderen Wildtieren. Und das kann keine Lösung sein. Herdenschutzmassnahmen sind meiner Meinung nach Umweltsünden. Es wird an der Zeit, das Thema wirklich anzugehen. Es wird zu wenig hinterfragt, was für Auswirkungen die Herdenschutzmassnahmen auf die gesamte Umwelt und auf Wildtiere haben.

Andrea Züger, Beat Grab, Miriam Grab-Iten (vorne, von rechts). Es fehlen Lukas Hofstetter und Silvan Mächler.
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Warum braucht es jetzt eine Volksinitiative? Es gilt doch das neue Jagdgesetz ab 1.1.2023, wo Regulierung einfacher wird.
Weil der strenge Schutz der Wölfe durch das neue Gesetz nur minim gelockert wird und die Entscheidung immer noch beim Bund liegt. Mehrere Biologen sagen, dass eine Koexistenz von Wölfen und Weidetieren nicht möglich ist. Es wird immer mehr Herdenschutz gefordert. Es wird aber nicht oder zu wenig über die negativen Seiten des Herdenschutzes gesprochen. Die Zusatzkosten und der massive Mehraufwand sind nur ein Teil davon. Das massive Aufrüsten mit Herdenschutzhunden und -zäunen zerstört nachweislich den Lebensraum vieler Wildtiere. Genau jene Personen, die jetzt sagen, «Zäunen, Zäunen, Zäunen», haben vor ca. 10 Jahren dafür gekämpft, dass es möglichst wenige Zäune gibt oder nur solche, die von den Wildtieren gut passiert werden können, da sich viele Wildtiere in den Zäunen verheddert haben. Ist das jetzt völlig egal, Hauptsache der Wolf kann bleiben? Wer einen guten Zaun erstellt, zerstört den Lebensraum von manchem Wildtier. Nur der Wolf lässt sich von keinem Weidezaun aufhalten.
Dann schadet der Wolf der Biodiversität?
Extensiv genutzte Wiesen und Weiden können «Hotspots» der Biodiversität sein, steht im Positionsbericht der deutschen Umweltschutzorganisation NABU. Mehr als die Hälfte aller höheren Pflanzenarten in Deutschland findet man auf Wiesen und Weiden, 70 bis 80 Prozent der Insekten sind an das Offenland angepasst und somit direkt oder indirekt an Wiesen und Weiden gebunden. Wenn die Wolfspopulation nicht reduziert wird, wird die Weidetierhaltung immer mehr aufgegeben. Und es wird, wenn möglich, ackerbau betreiben. Zu Ihrer Frage: Ja, wir sind der Meinung, dass der Wolf der Biodiversität schadet. Auch die psychische Belastung der betroffenen Bevölkerung muss endlich mehr berücksichtigt werden. Es mag ja einige Personen geben, die sich erfreuen, wenn sie im Dorf das Wolfsgeheule hören. Aber bei vielen löst das Ängste aus, was längerfristig psychische und gesundheitliche Probleme auslösen kann.
Die Initiative «Zum Schutz von Mensch, Haus- und Nutztier vor dem Wolf» will einen neuen Absatz in Artikel 79 der Bundesverfassung. Dieser regelt die Bundeskompetenzen für Jagd und fischerei. Im neuen Absatz 79a soll festgehalten werden, dass der Wolf nur noch im Schweizerischen Nationalpark im Engadin geschützt ist und überall sonst das ganze Jahr über gejagt werden darf. Bei einer Annahme gibt es eine maximale Übergangsfrist von 2 Jahren.
Wie sind die ersten Reaktionen auf die Initiative?
Es gab bisher sehr viele, sehr positive Rückmeldungen. Am meisten hat mich die Mail von Andri Kober, er ist der Präsident des Bäuerlichen Sorgentelefons, berührt. Er bedankte sich bei uns. Und er hat seine Unterstützung zugesichert. Er sagt, dass die Initiative notwendig sei. Er und sein Team würden sich sehr um die Not der durch Wolfsbegegnungen schockierten Mitmenschen in Alp- und Landwirtschaft sorgen. Bei vielen eingesendeten Unterschriftenbögen sind Briefe oder Dankeskarten beigelegt.
Wie sieht es mit negativer Kritik aus?
Ich bin recht überrascht. Bisher haben uns nur zwei kritische Mails erreicht. Ich habe mit heftigen Reaktionen gerechnet. Aber die Initiative ist noch nicht einmal einen Monat alt.
Können Sie schon etwas zu den Unterschriften sagen?
Drei Tage nach Veröffentlichung lagen die ersten Unterschriftenbögen im Briefkasten. Seither gibt es täglich Unterschriftenbögen, die eintreffen. Die Unterschriftenbögen können anonym auf der Homepage heruntergeladen werden. Wir haben bisher Unterschriftenbögen aus allen Kantonen, ausser aus Schaffhausen und Neuenburg. Das zeigt uns, dass die Thematik nicht nur in den Bergkantonen, sondern schweizweit aktuell und wichtig ist.
Die Schweiz könnte umweltschützerisch an Pranger geraten, wenn die Berner Konvention gekündet wird. Was sagen Sie den Leuten, die das befürchten?
Das sehe ich nicht als Problem, da es Staaten gibt, die der Berner Konvention nur beigetreten sind mit einer Ausnahme im Bereich der Grossraubtiere. Es gibt andere Länder, wie Österreich oder Schweden, die den gleichen Weg einschlagen, wie wir es möchten. Wir könnten Austreten und anschliessend wieder mit der Sonderregelung für Grossraubtiere beitreten. So wie die Grossraubtiere in der Schweiz im Moment unterwegs sind, schaden sie der Biodiversität.
Rechnen Sie damit, dass der Schweizer Bauernverband (SBV) die Initiative unterstützt?
Nein, der SBV wird die Initiative nicht aktiv unterstützen.
Das sagt der Schweizer Bauernverband:
Die Initiative ist ein Zeichen dafür, dass die Situation für viele Gebiete untragbar geworden ist. Mit dem exponentiellen Wachstum der Wolfsbestände habe die Probleme massiv zugenommen. Trotz einem Wettrüsten beim Herdenschutz gibt es immer mehr Risse. Sogar grössere Nutztiere sind nicht mehr gefeit. Der Leidensdruck bei den Betroffenen ist entsprechend sehr hoch. Deshalb haben wir viel Verständnis für dieses Volksbegehren. Von Seiten des Schweizer Bauernverbands setzen wir jedoch auf das revidierte Jagdgesetz. Dieses bietet die Grundlage für die präventive Regulation der Wolfsbestände. Das ist ein erster wichtiger Schritt. Wir engagieren uns weiter dafür, dass die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz im Sinne einer wirkungsvollen Regulation ausfallen. Dann gilt es Erfahrungen mit den neuen Regulationsmöglichkeiten zu machen und zu beurteilen, ob das Gesetz die erwartete Wirkung zeigt. ats
Gibt es bereits kantonale Bauernverbände oder andere Verbände, die Unterstützung zugesichert haben?
Wir sind mit verschiedenen Bauernverbänden in Kontakt, viele Verbände werden es bei der nächsten Vorstandssitzung besprechen. Der Zuger Bauernverband hat die Unterstützung zugesichert. Und auch der Verein Alpwirtschaft Bern und der Zentralschweizerische Kavallerie- und Pferdesportverband (ZKV) stehen hinter der Initiative. Das freut mich sehr.
Wieso freut Sie das?
Nur wenn sich alle Betroffenen einsetzen, können wir gemeinsam etwas erreichen. Wenn alle Nutztiere wolfssicher eingezäunt und eingestallt sind, werden die Ponys und die Pferde die nächsten Opfer sein.
Was ist Ihnen sonst noch wichtig?
Wir sind Leute von der Basis, und deshalb brauchen wir Unterstützung von der Basis. Es ist eine Volksinitiative. Wir brauchen die Unterstützung der Bevölkerung, damit die Initiative zustande kommt. Auch sind wir auf Spendengelder angewiesen, da kein grosser Verband und keine Partei hinter der Initiative stehen. Wir sind mit einem privaten Budget gestartet.
Wollen Sie keine Wölfe mehr in der Schweiz?
Der Wolf ist weltweit gesehen nicht vom Aussterben bedroht. Auch nicht, wenn es in der Schweiz keine Wölfe mehr gibt. Dass die ganze Schweiz wolfsfrei wird, ist sicher unrealistisch. Aber der Bestand muss stark reduziert werden. Wölfe, die Nutztiere reissen, egal ob mit oder ohne Herdenschutz, und Wölfe, die sich bewohnten Gebäuden nähern, sollten ohne Bürokratie erlegt werden können. Wir brauchen Handlungsspielraum und gesunden Menschenverstand. Auffällige Wölfe müssen aus dem Weg geräumt werden. Sodass wir nur Wölfe «züchten», die wirklich zurückgezogen leben und menschenscheu sind. Ich mache mir auch Sorgen darüber, dass es auf einmal keine Jäger mehr gibt, die bereit sind, die zum Abschuss freigegebenen Wölfe zu schiessen, weil sie mit grossen Bussen rechnen müssen, wenn sie den «falschen» Wolf erlegen.
Beenden Sie die Sätze…
Die Initiative ist… zwingend notwendig, damit das Leiden von Mensch und Tier beendet werden kann.
Der Wolf ist… keine Bestie. Es sind wunderschöne Tiere, aber es sind keine Kuscheltiere. Es sind und bleiben Grossraubtiere.
Landwirtschaft ist… Ernährungsgrundlage und Landschaftspflege zum Erhalt der Biodiversität.
Initiativtext
Art. 79a Wölfe
1. Auf dem Gebiet des Schweizerischen Nationalparks hat der Wolf den Status einer geschützten Art.
2. Im übrigen Gebiet der Schweiz gelten Wölfe als ganzjährig jagdbare Art.Art. 197
Übergangsbestimmung zu Artikel 79a
Die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 79a treten spätestens zwei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände in Kraft.
Beweggründe für Initiative der Initianten
- Alle Regionen in der Schweiz sind betroffen.
- Die Schäden werden grösser und unübersichtlicher.
- Nicht nur Tierhalter machen sich Sorgen bei diesem rasant wachsenden Wolfsbestand.
- Neben Schafen und Ziegen werden auch Esel, Ponys, Rinder und sogar Mutterkühe von Wölfen angegriffen.
- Der Wolf ist ein Fleischfresser und zeigt immer weniger Scheu.
- Die artgerechte Tierhaltung auf Weiden und im Offenstall ist gefährdet.
- Wildwechsel werden zerstört, wenn alles mit fünf und mehr Litzen gezäunt wird.
- Der Wolf hat keine natürliche Feinde.
- Immer mehr Lebensgrundlagen, Existenzen sind gefährdet.
- Die psychische Belastung für Tierhalter und ihre Familien ist enorm.
- Ein Verteidigungsschuss um Haus- und Nutztiere zu schützen soll straffrei sein.
-> Hier gehts zur Website der Initianten

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Quelle: schweizerbauer.ch