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Inlandproduktion wollen Stadt und Land erhöhen

Der Stadt-Land-Graben bleibt in der Wahrnehmung der Bevölkerung gross. In einer Umfrage im Auftrag des Agrarkonzerns Fenaco haben zwei Drittel der Befragten einen grossen Graben zwischen Stadt und Land festgestellt, 3 Prozentpunkte mehr als noch in der Umfrage 2021. Die Bevölkerung wünscht sich eine höhere Nahrungsmittelproduktion.

Zugenommen hat insbesondere der Teil der Befragten, die zwar einen grossen Stadt-Land-Gegensatz wahrnimmt, zugleich aber überzeugt ist, dass die diesen gut auszuhalten vermag. Ihr Anteil nahm von 40 auf 46 Prozent zu. Eine Belastungsprobe für die Schweiz sehen gegenwärtig 21 Prozent der rund 3000 Befragten, wie Fenaco und das Forschungsinstitut Sotomo am Donnerstag vor den Medien in Bern erläuterten.

Stimmverhalten wieder im langjährigen Schnitt

Der politische Stadt-Land-Gegensatz stabilisiert sich, wie eine Analyse des Stimmverhaltens nahelegt. Während das Stimmverhalten zwischen Grossstadt und Land in den Jahren 2020 und 2021 voneinander abgewichen ist, bewegte sich der Stadt-Land-Gegensatz 2022 dagegen wieder im langjährigen Durchschnitt, wie es in der Umfrage heisst.

Eine Ausnahme bildet die Volksinitiative gegen Massentierhaltung (2022), die zu den Top-5-Abstimmungen mit der grössten Stadt-Land-Differenz seit 1981 gehört. Fünf der zehn Abstimmungen mit der grössten Stadt-Land-Differenz betreffen .

Die Auswertung der Umfrage hat ergeben, dass die Identifikation mit dem Land steigt. Zwar sieht sich noch immer etwas mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer nicht als Teil des Stadt-Land-Gegensatzes. Seit 2021 hat sich jedoch der Anteil, der sich auf die Seite des Lands stellt, von 25 auf 30 Prozent erhöht. Gleichzeitig identifizieren sich nur noch 18 statt 20 Prozent mit der Stadt.

Städte in der Defensive

Auch wenn die grossen Städte besonders häufig bei Volksabstimmungen unterliegen, werden sie als bestimmend wahrgenommen. In den Städten werden namentlich gesellschaftliche Trends gesetzt, wirtschaftliche Weichen gestellt und Medieninhalte definiert. Im Vergleich zu 2021 gaben in der aktuellen Befragung jedoch mehr Befragte an, dass die Interessen des ländlichen Raums nicht nur bei Volksabstimmungen, sondern auch in der Bundespolitik mehr Gewicht hätten.

Der Anteil der grossstädtischen Bevölkerung, der findet, die urbanen Interessen erhielten auf dem Land genug Beachtung, ist von 37 auf 28 Prozent gesunken. Obwohl die grösseren Städte im neuen Bundesrat nicht mehr vertreten sind, sind aber rund zwei Drittel der Befragten der Ansicht, dass die Interessen der Städte im aktuellen Bundesrat ausreichend vertreten sind.

Versorgungssicherheit immer wichtiger

Die Versorgungssicherheit, die bereits während der Corona-Pandemie vieldiskutiert worden war, hat durch den Krieg in der Ukraine und die drohende Energiemangellage weiter an Interesse gewonnen. Der Stadt-Land-Monitor 2023 zeigt, dass sich die Schweizer Bevölkerung unabhängig vom Wohnort eine Stärkung der einheimischen Produktion wünscht.

Wie hoch sollte der Selbstversorgungsgrad sein.
Fenaco

Eine grosse Mehrheit möchte den Anteil der im Inland produzierten Nahrungsmittel erhöhen, und zwar im Durchschnitt von aktuell 57 auf über 70 Prozent. Personen, die im ländlichen Raum leben, wünschen sich einen Selbstversorgungsgrad von 73 Prozent und liegen damit leicht über dem Durchschnitt. Bewohner der grösseren Städte sind mit einem Wunsch-Selbstversorgungsgrad von 71 Prozent genau im Schweizer Schnitt.

Keine höhere Produktivität gewünscht

Eine erhöhte Inlandproduktion wird vor allem auf dem Land unterstützt. «Die pflanzliche zulasten der tierischen Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen, stösst hingegen primär in den Städten auf Zustimmung», heisst es im Monitor. Eine Ertragssteigerung bei gleichen Flächen wird von  Stadt und Land eher kritisch beurteilt, wobei die Ablehnung in urbanen Gebieten grösser ist.

Eine Erhöhung der Produktivität pro Flächeneinheit wollen nur ein Viertel der Schweizerinnen und Schweizer. 32 Prozent sind strikte dagegen. «Angesichts der Platzverhältnisse in der Schweiz ist die Steigerung des Flächenertrags die realistischste Möglichkeit, den Selbstversorgungsgrad in der Schweiz zu steigern. Sie ist zugleich die am wenigsten populäre», heisst es im Bericht.

Mehr Agrar- und Naturschutzflächen gewünscht

Der populärste Ansatz zur Erhöhung des landwirtschaftlichen Selbstversorgungsgrads ist die Ausdehnung der Landwirtschaftsflächen. «Dies ist jedoch nur möglich, wenn andere Arten der Bodennutzung reduziert werden», heisst es im Monitor. Gemäss Befragung ist klar, auf wessen Kosten eine Ausdehnung der Landwirtschaftsfläche nicht gehen soll: Jeweils 62 Prozent sind der Ansicht, dass Wald und Naturschutzzonen in der Schweiz mehr und nicht weniger Platz erhalten sollen. Fast ebenso viele sprechen sich für eine Ausdehnung der Landwirtschaftsflächen aus (60 %).

Welche Bodennutzung soll in Zukunft weniger Fläche erhalten.
Fenaco

Reduziert werden soll aus Sicht der Befragten dagegen die bebaute Umwelt. 53 Prozent wünschen sich weniger Verkehrsflächen, 40 Prozent weniger Siedlungszonen und 39 Prozent weniger Industrie- und Gewerbeareale. Die Bevölkerung hätte gerne mehr Grün und weniger Grau. 

Die Präferenzen bei der Bodennutzung unterscheiden sich nicht grundlegend zwischen Stadt und Land. Es gibt aber unterschiedliche Tendenzen. Personen, die in einem urbanen Umfeld leben, wünschen sich besonders oft mehr Naturschutzflächen. Sie sprechen sich stärker als die anderen für mehr Wald und weniger Verkehrsflächen aus. Die Ausdehnung der Landwirtschaftsflächen wird besonders oft von Menschen aus dem ländlichen Raum gewünscht.

Für Vertical Farming, gegen Laborfleisch

Einzig die Produktionsmethode Vertical Farming geniesst als Mittel zur intensiveren Nutzung einer Flächeneinheit breite Akzeptanz. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist auch bereit, die raumplanerischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die entsprechende Infrastruktur nicht nur in Gewerbezonen, sondern auch auf Landwirtschaftsbetrieben errichtet werden kann.

Wie soll der Ertrag der Landwirtschaft pro Flächeneinheit gesteigert werden. Welche Methoden für eine weitere Ertragssteigerung sollten grundsätzlich ausgeschlossen werden
Fenaco

Andere Ansätze zur Ertragssteigerung, wie etwa Nahrungsmittel aus Zellkulturen (Laborfleisch) und Züchtungen mit Genom-Editing, werden zurückhaltend beurteilt. Sie stossen jedoch nicht auf grundsätzliche Ablehnung. So ist beispielsweise lediglich ein Drittel der Befragten generell gegen Genom-Editing.

Hohe Akzeptanz für lokalen Energiehandel

Der Selbstversorgungsgrad bei der Energie soll von zurzeit rund 30 auf durchschnittlich fast 70 Prozent mehr als verdoppelt werden. Um den Selbstversorgungsgrad bei der Energie zu erhöhen, will die Bevölkerung vor allem mehr Energie im Inland produzieren und dank Innovationen die Energieeffizienz steigern.

Die Akzeptanz für einen vereinfachten lokalen Energiehandel ist auf beiden Seiten des Stadt-Land-Grabens gross. 64 Prozent möchten, dass Gewerbetreibende oder Landwirtschaftsbetriebe den überschüssigen aus eigener Produktion lokal an andere Verbraucher verkaufen können, statt ihn ins Energienetz grosser Anbieter einzuspeisen. In diesem Bereich will die Fenaco wachsen.

Verzicht ist für die Mehrheit keine Option. Einzig in grösseren Städten geben 54 Prozent der Befragten an, ihren Energieverbrauch senken zu wollen. Deutlich befürwortet wird der Zubau von Solaranlagen an Gebäuden und auf Freiflächen sowie die Förderung der Wasser- und Windkraft. Für neue Atomkraftwerke sprechen sich nur 28 Prozent der Befragten aus.

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ganzen Artikel lesen ▸ Quelle: schweizerbauer.ch

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