Im Berner Seeland wurde am Dienstag eine grössere Agri-PV-Anlage eingeweiht. Der Betrieb produziert neben Beeren nun auch Strom.
Die Anlage ist zwar nicht die erste ihrer Art in der Schweiz. Sie aber rund 0.2 Hektaren gross und gehört damit zu den grösseren der Schweiz. Betreiberin ist die Beerenland AG in Walperswil BE. Die Anlage produzierte am Dienstag zur Mittagszeit bei leicht bewölktem Himmel rund 120 kW Strom.
Beeren und Strom
In der Schweiz gibt es erst eine Handvoll solcher Anlagen, die meisten sind Testanlagen. Auch die Installation auf dem Gelände der Beerenland AG soll weitere Erkenntnisse für die Doppelnutzung von Agrarflächen und solaranlagen liefern, schreiben die Beerenland AG, der Schweizer Obstverband und Swissolar in einer Mitteilung.
Eine Agri-Fotovoltaik-Anlage hat zwei Kernaufgaben: über Gemüse-, Obst- und Beerenkulturen wird gleichzeitig Strom produziert, während die Anlage weitere Funktionen wie Hagel- oder Frostschutzschutz wahrnimmt. Die Betreiberin der PV-Anlage, Barbara Schwab Züger, sieht darin reichlich Potenzial. «Gerade Beerenkulturen könnten ein spannendes Anwendungsfeld für Agri-PV sein. Wir hoffen, dass durch die Installation die negativen Witterungseinflüsse für die Beeren minimiert werden können, dies bei gleichzeitiger Stromproduktion», sagte die Geschäftsführerin der Beerenland AG.
Verordnung angepasst
Schub verliehen hat Agri-PV-Anlagen eine Anpassung des Artikel 32c in der Raumplanungsverordnung. Die Erstellung wurde so ermöglich. Das Interesse hat gemäss Mitteilung des Schweizer Obstverbandes deutlich zugenommen. Trotz erster Forschungsprojekte in der Europäischen Union steht die Forschung bei Agri-Fotovoltaik-Anlagen noch ganz am Anfang. Es gibt noch viele Funktions- und Anwendungsweisen zu prüfen.
Gemeinsam mit der Forschungsanstalt Agroscope wird die Anlage im Seeland nun praxisnahe getestet und die Resultate anschliessend ausgewertet. «Auch wenn es erst eine Pilotanlage ist: Wir sind stolz darauf, nicht nur nahrungsmittel, sondern auch Strom für eine erneuerbare Zukunft zu produzieren», sagte Barbara Schwab Züger.

zvg
Kulturen etwas später reif
Diverse Betriebsbesichtigungen bildeten 2021 die Basis für den Investitionsentscheid, auf dem eigenen Betrieb als Pionier eine Pilotanlage für die Kombination von Strom- und Beerenproduktion zu bauen. «Von Beginn an war klar, dass eine wissenschaftliche Begleitung die Praxiserfahrung auf dem Betrieb ergänzen sollte», sagte Schwab Züger. Die Anlage im Seeland wurde als Forschungsanlage bewilligt. Agroscope untersucht Beerenertrag, -qualität und die Wirtschaftlichkeit.
Die ETH-Agronomin erklärte, dass die Kulturen unter der Agri-PV-Anlage etwas später erntereif sein werden als die fast gleichzeitig unter dem Folientunnel gepflanzten. Um den Markt früh mit Schweizer Erdbeeren zu versorgen, hat sie durch die Agri-PV-Anlage, die gleichzeitig auch beschattet, keinen Vorteil. Den wirtschaftlichen Nutzen sieht sie vor allem darin, dass sie ihren eigenen Strombedarf auf dem Betrieb nun je nach verfügbarer Solarenergie optimieren kann. Auf dem Gelände der Beerenland AG gibt es zwei Elektroautos, die den Strom sowohl speichern als auch abgeben können.
Infos zur Anlage
- Installierte elektrische Leistung des Agri-PV Pilotprojektes: 167 kWp
- Gekoppelte landwirtschaftliche Produktion: Himbeeren (6 Reihen), Erdbeeren (4 Reihen) total 0.2 ha
- Zone: Intensivlandwirtschaftszone (bestehende Folientunnel wurden ersetzt durch PV-Konstruktion)
- Installation: Fixaufständerung mittels Stahl-Rammprofilen (Möglichkeit für rückstandslosen Rückbau / Wiederverwendung)
- Modultyp: Bifaziale, semitransparente Glas-Glas-Module (für beidseitige Stromproduktion bei Teilverschattung)
- In Zusammenarbeit mit der eidg. Forschungsanstalt Agroscope erfolgen diverse Vergleichsmessungen wie Erntezeitpunkt, Fruchtgrösse, Aroma, Wasserbedarf, Erntemenge, Pflückleistung, Lichtintensität, Temperatur
Bessere Rahmenbedingungen gefordert
Heute dürfe man einen Blick in die Zukunft wagen, die auf diesem Betrieb bereits Wirklichkeit sei, erklärte Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbandes (SOV), an einem Anlass auf dem Betrieb. Die Installation von Agri-PV sei die logische Entwicklung für den Schweizer Obst- und Beerenbau, der von Innovation geprägt sei.
Mariéthoz fand aber auch kritische Worte: «Innovation ist nur möglich, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Und hier gibt es grossen Handlungsbedarf, die Einschränkungen sind zu gross», so Mariéthoz. So heisst es im Gesetz, dass die Anlagen «in wenig empfindlichen Gebieten Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion bewirken oder entsprechenden Versuchs- und Forschungszwecken dienen» sollen. Vor letztem Sommer war Agri-PV den Freiflächenanlagen gleichgestellt und damit nicht bewilligungsfähig.
Erste Erkenntnisse und Ausblick aufgrund des Pilotprojektes
- Die Kombination von Beeren- und Stromproduktion ist grundsätzlich möglich
- Anbautechnische Detailfragen (Sortenwahl, Pflanzzeitpunkt etc.) sind betriebsspezifisch zu beantworten
- Die ökonomische Betrachtung ist multivariabel und komplex (Strompreisentwicklung, Vermarktungsmöglichkeiten Beeren und Strom, Zusatzeffekte wie Wasserverbrauch, Pflückkomfort etc.)
- Der anstehende Investitionsentscheid in eine grössere Produktionsanlage bleibt trotz den Erkenntnissen ein Wagnis
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Quelle: schweizerbauer.ch